Fischers Zeilen im September 2016

Alles läuft in gewohnten Bahnen,………….oder doch nicht? Das letzte Jahr hat mit der Aussage der Kanzlerin – „wir schaffen das“ – und dem massenhaften Zustrom an Flüchtlingen die Republik enorm durcheinander geschüttelt. Die Auswirkungen dürfen wir gerade bei den aktuellen Wahlen in Mecklenburg Vorpommern oder Berlin bewundern. Da gelingt es einer – freundlich formuliert – extrem konservativ bzw. völkisch agierenden Partei zweistellige Wahlergebnisse einzufahren und dennoch hat man als Außenstehender das Gefühl, dass die politischen Eliten die wirklichen Probleme noch immer nicht verstanden haben. Natürlich lösen die Bilder aus Bautzen oder anderen Orten nur Kopfschütteln aus, aber beginnen wir nicht mit unterschiedlichen Maßstäben zu messen, wie einst die Weimarer Republik, die jede Aktivität der linken Parteien und Gruppierungen hart bestraft hat und rechte Volksanhänger unter anderem auch Adolf Hitler weitgehend gewähren ließ? Oder wie ist es zu erklären, dass 20 jugendliche Asylanten von 80 aufgebrachten „Wutbürgern“ aufgemischt werden und dann die Asylanten mit Verboten und Strafen belegt werden?

„Der Radikale steht mit beiden Beinen fest in der Luft“

Das wusste schon Franklin D. Roosevelt, der gegen jede Tradition dann viermal statt wie alle anderen Präsidenten zweimal das Amt begleitete. Hier beschreibt er die fundamentalen Aussagen der Populisten überaus treffend. Klar hat die Kanzlerin, sagen wir es vorsichtig, Probleme eingeräumt. Trotzdem bleibt sie aber weiter auf Kurs und will von einer grundsätzlichen Änderung nichts wissen. Auf der anderen Seite betätigt sich ein SPD Vorsitzender als Fürsprecher für ein mehr als fragwürdiges Handelsabkommen mit Canada, statt die Vorbehalte der Basis wirklich aufzunehmen und zu reagieren. Dann erklärt man sich in den vorgenannten Bundesländern trotz mieser Ergebnisse zum Wahlsieger. Es wird deutlich, dass man sich politisch so nicht weiter durchwursteln können wird, sondern ein grandioses Scheitern bevorsteht. Wenn aber nun politisch nichts mehr normal läuft, wie sieht es denn dann im Gesundheitswesen aus?

Ist denn im „Garten Eden“ der Lobbyisten zumindest alles gleich geblieben? Meine Vorhersagen, wonach die Anzahl der gesetzlichen Kassen sich weiter dramatisch verringern werden, haben sich bewahrheitet. Hatten wir 1992 noch 1223 Kassen, waren es 1996 nur 642, 2002 dann das Absinken auf 355, 2008 auf 221 und 2014 auf 132 Kassen. Heute im Jahr 2016 haben wir nur noch 118 und die Prognose des Dachverbands geht von einem einer kurzfristigen Zahl von deutlich unter 100 aus. Das ist verständlich, bieten doch alle die gleiche Leistung an. Zudem bietet das System des Gesundheitsfonds und der Finanzierung der gesetzlichen Versicherer doch genügend kreativen Spielraum. Wer viele chronisch Kranke hat, bekommt deutlich mehr Geld; da schickt man gerne Berater zur Codierungshilfe für die armen ahnungslosen Ärzte aus.

Da nimmt einem das Ende der jahrelangen Verhandlungen und Bemühungen um eine Reform der GOÖ – die ja mittlerweile 20 Jahre alt ist – nur noch am Rande mit. Man denkt schon, wenn man wie ich nun 24 Jahre in und mit dem System gearbeitet hat, dass man alles kennt……da kann man sich aber massiv täuschen. Statt einer Neuregelung im Mai war nun das Ende der Verhandlungen im März letztlich das Hauptthema. Was ist nun seit den bitteren Tagen im März passiert………man ahnt es, nichts!!! Vielleicht hatte Niccolo Machiavelli Recht als er meinte:

„Es ist nicht weise, das zu verteidigen, was man ohnehin aufgeben muss“

Ich hoffe natürlich nicht, dass er damit die Zweiteilung des Gesundheitswesens gemeint hat. Aber wenn die einzigen Verteidiger der PKV am Ende die FDP sein soll, wird es bald die doch so attraktive Einheitskasse geben. Anders kann man aber die Zeichen nicht deuten; der Staat hat doch kein Interesse für die Beamten in Zukunft mehr zu bezahlen, als für die Angestellten. Die dauerhafte Null Zinslandschaft birgt zusätzlich die Gefahr, dass sich die Rücklagen der privaten Versicherer in Luft auflösen und das wiederrum führt zu schnellen teuren Beitragsanpassungen mit der Folge von weniger Neumitgliedern und einer entsprechenden Abwärtsspirale in den Mitgliedszahlen.

Es bleibt daher auch an dieser Stelle wieder spannend. Ähnlich interessant dürfte natürlich auch die Neuregelung im EBM sein. Nachdem wir im Gegensatz zur GOÄ da aber schon etliche Veränderungen über uns ergehen lassen durften, schreckt einen das zuerst einmal nicht. Wenn man aber wie die Strahlentherapeuten primär ja einen Großteil der Honorare für die Sachkostenerstattung – die MLC Vergütung – bekommt, dann hört man schon genauer hin. Erst wurde in den Verhandlungen geäußert, dass die 140.- € zu viel seien gerade auch wenn man bedenkt, dass es in der GOÄ weniger Geld geben würde. Dann wurde die Steigerung der MLC Abrechnungen thematisiert; das ist zwar absolut gesehen korrekt, dennoch übersieht man das die Therapie moderner und aufwendiger wurde. Niemand mit Fachkenntnis würde eine Zunahme an Feldern in Frage stellen, wenn man eine vier Felder Boxtechnik mit einem IMRT Ansatz vergleicht. Die Kassen tun das!!! Dann war die Rede von Pauschalen pro Patient was am Ende natürlich denjenigen schaden wird, die aufwendige und komplexe Therapien bei den Patienten anwenden und hier keine einfachen Techniken anwenden. Was am Ende herauskommen wird, liegt in dem Verhandlungsgeschick des Berufsverbands und der dort handelenden Personen. Hoffen wir, dass die modernen Verfahren im neuen EBM abgebildet werden, denn auch hier ist die Leistungslegende letztlich noch aus dem Jahre 1996 und muss dringend erneuert werden, da die Patienten mit Recht die Anwendung der aktuellen Möglichkeiten erwarten. Hoffen wir gemeinsam, dass es im angekündigten Änderungsquartal 4/2017 keine hässlichen negativen Überraschungen gibt.

„Immer wenn man glaubt, mit der Schule des Lebens fertig zu sein, wird einem irgendein Sonderkurs offeriert“

Ich weiß, dass Heinz Rühmann damit nicht die weitreichenden Veränderungen die das BSG Urteil vom Mai dieses Jahres für die Ärzteschaft mit sich gebracht haben gemeint hat, dennoch ist es in der Tat so, dass nun wieder einmal alles auf den Kopf gestellt wurde. Die schnelle Integration von Praxen, Verbünden oder Vertragsarztsitzen wird es so nicht mehr geben. Das wird die Expansion bei den technischen Fächern sicher verlangsamen und die Flächenversorgung bei Hausarztpraxen weiter verschlechtern.

Das permanente Bestreben der Zulassungsausschüsse zur Reduzierung von Vertragsarztsitzen – gerade auch in der Radiologie und Strahlentherapie – ist ungebremst. Wer nicht schnell genug auf dem Baum ist, muss mit der Einziehung rechnen, gerade dann, wenn der Sitz nicht oder nur unzureichend mit Patienten bedient wurde. Hier wird trotz der Verpflichtung aus der Strahlenschutzrichtlinie nach ganz anderen Denkmustern entschieden. Wie in meinen letzten Veröffentlichungen ausgeführt, werden die Projekte immer komplexer. Die Option, Gesellschafter zu werden muss als extreme Ausnahme bezeichnet werden und die Preisfindung gleicht manchmal auch einem Wunschkonzert des Verkäufers. Erst soll man 20 % kaufen können, dann nur noch 10 %, dann 5 % und das Beste daran ist, dass der Preis dann zufällig noch nicht ganz fixiert ist. Klingt irgendwie seltsam, ist aber derzeit gelebte Praxis. Es ist für die jungen Fachärzte schwierig auf der gleichen Ebene wie der Abgeber zu agieren. Die Altinhaber sollten die Situation nicht über Gebühr ausnutzen, denn wenn zu hohe Preise im Raum stehen, das Risiko überwiegt besteht die Gefahr, dass der qualifizierte und motivierte Einsteiger darauf verzichtet und einen Chefarztposten wählt oder in einem MVZ als gutverdienender Angestellter landet während man selbst dann nur die B Kandidaten erntet die aber die Praxis weder fachlich noch strategisch weiter nach vorne bringen und zukunftssicher machen. Schließen möchte ich heute mit einem Zitat von Tolstoi:

„Denke immer daran, dass es nur eine wichtige Zeit gibt: Hier. Jetzt“.

Ihre Aufgabe besteht darin sich weiter gut zu positionieren, aktiv im Berufsverband einzubringen und für ihre Vertretung in den Gremien und in der Vollversammlung ihrer KV zu sorgen. Wenn Sie es nicht tun, werden es andere machen……und die handeln im Zweifel immer im eigenen Interesse. Bleiben Sie aktiv und nutzen Sie die Gunst der Stunde, denn Chancen sind häufiger vorhanden als man denkt und erinnern sie sich bei Gelegenheit an ihre Anfangszeit, dort sind sie auch Risiken eingegangen und zwar wesentlich größere als heute.

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