FISCHER’S ZEILEN – SONDERAUSGABE SEPTEMBER 2023

Liebe Strahlentherapeuten………..jetzt müssen Sie ganz stark sein! Nachdem im letzten Jahr das BSG Urteil vom 26.4.2022 mehr oder minder die Kooperationen, die Bayern 3 Modelle und die Realität in
der onkologischen Versorgung auf den Kopf gestellt hat, führt das zweite BSG-Urteil vom 29.8.2023
nun zu einer Umkehr der bisherigen Versorgungsstruktur. Ob dies den Richtern klar war, darf
bezweifelt werden.

Keiner urteilt heftiger als der Unwissende.
(Bernd Blase)

Wir alle wissen, dass die Anzahl der Betten in der Strahlentherapie in den letzten Jahrzehnten deutlich
abgenommen hat, die Verweildauer deutlich reduziert wurde und wir je nach Region zwischen 5% und
8% an stationären Fällen haben. Darauf aufbauend wurde in den Neunzigern die Kooperation die
Methode der Wahl, um eine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit
strahlentherapeutischen und onkologischen Leistungen zu erreichen.

Wenn man nun knapp 30 Jahre später das Rad zurückdrehen möchte, dann muss man fragen
dürfen……wozu? Cui bono……..wem soll es nützen?
➢ Der Versorgung – sicher nicht
➢ Den Patienten – keinesfalls, da diese bei einem Rückgang der Versorgung in der Fläche längere
Fahrtwege und mehr stationäre Aufenthalte produzieren werden
➢ Den Kassen – ebenso nicht, da die Fahrtkosten getragen werden müssen und stationäre
Aufenthalte regelhaft teurer sind als ambulante Leistungen
➢ Dem Steuerzahler – niemals, denn die Ausstattungen der Krankenhäuser, die ja mittlerweile
Praxen gehören selbst wieder neu gebaut werden müssten – für 5% bis 8% der Patienten
➢ Den Krankenhäusern – keinesfalls, da man weder das Personal noch die Räume oder gar die
Technik und schon überhaupt kein Geld darf hat……die meisten deutschen Krankenhäuser
kämpfen ums finanzielle Überleben
➢ Den Leistungserbringern – also Ihnen – natürlich nicht, da Sie nun als Anbieter zweiter Klasse
gesehen werden – stationäre Leistungen können Sie nicht mehr erbringen, bzw. bekommen
Sie nicht mehr gezahlt, da das kooperierende Haus die Leistungen nicht mehr abrechnen darf.

Der Verstand ist wie eine Fahrkarte: Sie hat nur dann einen Sinn,
wenn Sie benutzt wird.
(Ernst R. Hauschka)

Wenn man heute weiß, dass selbst in Städten wie München nicht genügend Personal vorhanden ist,
um alle Beschleuniger zu bedienen, wer soll das dann sicherstellen? Wenn an Universitäten die Bunker
wegen Personalmangel zugefahren werden, wer soll dann die Versorgung sicherstellen? Die BSG Richter?

Wenn diese Urteile aber niemandem helfen, nichts ändern oder verbessern, warum werden diese
dann so gefällt……..oder ist das faktische Recht wichtiger, als eine sachgerechte Lösung? Welchen
Pyrrhus Sieg hier die Kassen errungen haben, werden wir noch erleben, denn höhere Aufwendungen
führen nachher zu höheren Beiträgen und so sind die Menschen draußen im Land als Steuerzahler,
Beitragszahler, als Leistungserbringer, Mitarbeiter in Praxen oder Krankenhäusern oder als Patienten
die Verlierer dieser Entscheidungen.

Die Einzigen, die hier nun einen Vorteil haben sind
➢ Rechtsanwälte
➢ Steuerberater
➢ Bauunternehmen
➢ Medizintechnikfirmen
➢ Controller in den Kassen und der MDK

Während die vier erstgenannten Gruppen sich über neue Aufträge freuen dürfen, können sich die
letztgenannten auf die Schulter klopfen und im Recht fühlen, wenn eine hundertprozentig gleiche
Leistung, die in einer Praxis erbracht wurde und NICHT von einem Krankenhaus mit
Versorgungsauftrag – dann auf Kosten der Patienten und Leistungserbringer eine Honorierung gekürzt
oder eben gar nicht ausgezahlt wird, getreu dem Motto – am Kassenwesen muss Deutschland genesen.

Es gibt Krankheiten, die existieren erst, wenn es die Krankenkasse
zulässt.
(Kurt Haberstich)

Was bringen nun die Urteile?
Zuerst einmal große Verwirrung und Aktivität. Nehmen wir ein Beispiel.
Eine privatisierte Abteilung, die über mehrere Bunker verfügt, müsste nun einen Bunker für die
stationären Patienten frei machen. Dann könnte das Krankenhaus dort – wenn der Strahlenschutz
passt – einen Beschleuniger aufbauen und eigenes Personal einstellen. Kosten einer solchen Aktion –
Beschleuniger plus Netzwerk und Planung ca. 2,5 Mio. €, plus ggf. Umbau ca. TEUR 500 plus Personal
– das Gesetz fordert zwei MTRA, 2 Ärzte und zwei Physiker ca. TEUR 720; man könnte
einwenden…….man braucht ja nur Teilzeitkräfte……..korrekt, aber die müsste man finden. Vorlauf für
eine solche Aktion dürfte ca. ein Jahr sein. In der Zwischenzeit könnten die Kassen sich darauf
versteifen, dass die Patienten an anderer Stelle behandelt werden müssten……..also z.B. von
Unikliniken, die jetzt schon zu wenig Personal haben. Das Ergebnis? Korrekt……….der Patient muss
warten……….mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung.

Und jetzt kommt die Spitze! Selbst wenn man das schafft, würde das in den allermeisten Fällen für ein
Patientenaufkommen von unter 5 pro Tag stattfinden – also dem Arbeitsaufwand von 1,5 Stunden pro
Tag. Dass die Einrichtung dann nur defizitär betrieben werden kann, versteht sich von selbst. Wer zahlt
die „Rechnung“? Korrekt, der Steuerzahler und der Beitragszahler. Das wird die Pleitewelle der
deutschen Krankenhäuser nur noch befeuern.

Wenn die Fahne fliegt, ist der Verstand in der Trompete.
(Russisches Sprichwort)

Wenn jetzt das Krankenhaus aber keinen Versorgungsauftrag hat, kann man die Aktion vergessen,
denn trotzdem könnte das Krankenhaus die nach allen Regeln der ärztlichen Kunst erbrachte Leistung
NICHT abrechnen. Quatsch, Blödsinn……….NEIN, Realität in Deutschland seit dem 29.8.2023!
Und um das klar auszuführen, die allermeisten der bundesweit 350 strahlentherapeutischen
Einrichtungen verfügen eben NICHT über einen Versorgungsvertrag. Das würde bedeuten, dass ca.
zwei Drittel aller Einrichtungen keine stationären Leistungen mehr erbringen oder abrechnen könnten;
dies führt dann zu einem Rückgang der Einrichtungen auf dem Land und zu einer Veränderung der
onkologischen Versorgung vor Ort. Wollen wir das? Wollen wir große Zentren, die als „Fabriken“
arbeiten, die dann 6 oder zehn Beschleuniger haben, wollen wir lange Anfahrtswege für die
schwerkranken Patienten und wollen wir die dies für die Zukunft als unsere onkologische Versorgung
sehen?

Macht das alles Sinn?

Natürlich nicht, denn die Radioonkologen sind wohl das am engsten kontrollierte Fach im
Gesundheitswesen, werden alle zwei Jahre von unabhängigen Stellen in der medizinischen und
Physikalischen Leistung auditiert. Warum daher die Aktionen?
Ehrlich gesagt, wir wissen es nicht!

Die Richter haben „Recht“ gesprochen, aber wenn man an einer Stelle erkennt das es negative Folgen
haben wird, wäre es doch sinnvoll den handelnden Personen wie in anderen Bereichen auch eine
Übergangszeit zu geben, um neue Strukturen zu schaffen oder schlicht Gesetze zu verändern.

Wir sind als Berater auf der Seite der Profiteure, aber eines möchte ich an dieser Stelle ganz klar zum
Ausdruck bringen. Wozu zertritt man eine funktionierende Versorgungskette ohne Not? Das, was hier
passiert, verändert die strahlentherapeutische und onkologische Versorgung in einem Federstrich
mehr als die Kooperationen in den letzten 30 Jahren positiv verändert haben, da dürfen Sie mich beim
Wort nehmen.

Dummheit ist auch eine natürliche Begabung.
(Wilhelm Busch)

Es bedrückt mich sehr, dass wir Ihnen mit diesem Newsletter solche Nachrichten übermitteln müssen,
aber aus den beiden Urteilen erwächst eine sehr große Gefahr für das Fach an sich und für die
gewachsenen Strukturen im deutschen Gesundheitswesen.

Als einzig positive Nachricht darf die Bepreisung der Stereotaxie betrachtet werden, auf die wir sehr
lange gewartet haben. Wir setzen hier den Link, damit Sie sich das in Ruhe durchlesen können. Damit
wird endlich das bezahlt, was schon seit langer Zeit von vielen strahlentherapeutischen Einrichtungen
ohne entsprechende Bezahlung erbracht wird.

https://www.kbv.de/html/1150_65393.php

Wenn man derzeit als Franke und Bayer durch die Landschaft fährt, fallen einem die vielen
Wahlplakate auf. Warum setzt sich niemand dieser vielen Gesichter für die Menschen im Land, für
deren Bedürfnisse oder Versorgung ein? Das sind die Dinge, die mir bei meinen Autofahrten durch den
Kopf gehen und nicht die sinnbefreiten Sprüche nach Bürokratieabbau, der ohnehin nie stattfindet
oder vollmundigen Versprechen von Rechts, Links, der Mitte oder wem auch immer.

An dieser Stelle möchte ich wie immer auf die Gastbeiträge hinweisen, allen voran natürlich den Ausführungen der Kanzlei Bregenhorn-Wendland und Partner zu den BSG Urteilen und von der Firma Varian – die weiterhin aktiv an der Verbesserung der Radioonkologie arbeitet und immer wieder überraschende Neuigkeiten präsentieren kann. Bitte bedenken Sie bei all meiner berechtigten Kritik, dass wir immer im Zentrum der Kritik stehen; wenn es gut läuft, waren es die anderen, wenn es schlecht läuft, gibt es immer einen Schuldigen.

Im Übrigen gilt ja hier derjenige, der auf den Schmutz hinweist, für
viel gefährlicher als der, der den Schmutz macht.
(Kurz Tucholsky)

Ich darf Ihnen an dieser Stelle gute Nerven, einen entsprechenden Anwalt, ein Krankenhaus mit
breitem Kreuz, Kassenvertreter mit Verstand für die nächsten Monate und Jahre wünschen. Bleiben
Sie positiv für sich, Ihre Mitarbeiter und allen voran für Ihre Patienten, die haben es besonders
verdient, dass Sie sich um diese sorgen und kümmern.

Wir freuen uns, von Ihnen zu hören. Sollten Sie unsere Informationen nicht mehr lesen wollten, darf
ich Sie bitten, sich unkompliziert auszutragen.

Ihr
Heinz Peter Fischer

Empfohlene Beiträge